Halleiner IT-Experte über tödliche Unfälle durch Autopiloten und warum wir uns vor ersten Tests mit fahrerlosen Lastwagen in Österreich nicht fürchten müssen.
Andreas Kuhn, Mathematiker, Ingenieur und Softwareentwickler aus Hallein, ist mit seiner Firma Andata maßgeblich an der Entwicklung autonomer Fahrsysteme beteiligt.
Was genau machen Sie, Herr Doktor Kuhn?
Andreas Kuhn: Wir arbeiten an den Algorithmen, an der Software, die die Autos automatisiert fahren lassen – oder noch wichtiger, die sie zur richtigen Zeit bremsen lassen, damit Unfälle wie in den USA eben nicht passieren, damit die Autos die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit treffen.
Wie können Autos Entscheidungen treffen?
Das ist eine komplexe Aufgabe, daran arbeiten weltweit große Teams. Die Fahrzeuge benötigen eine Reihe von Sensoren, die Objekte und Situationen richtig erkennen müssen: Ist das ein Mensch, ein Tier, ein Baum oder ein Laternenpfahl? Die Signale dieser Laserscanner, Radar- und Videosensoren werden in Algorithmen gespeist, also in die Software des Autos. Sie muss die Verkehrssituationen interpretieren und Gefahren erkennen und, wenn nötig, ein gestaffeltes Reaktionssystem starten. Das sind Licht- und Tonwarnungen, ein Bremsruck und notfalls eine selbstständige Bremsung durch das System. Mitunter kann ausweichen besser sein als bremsen. Auch das muss der Algorithmus erkennen.
Die Autopiloten können das offenkundig noch nicht. Es gibt schon drei tödliche Unfälle durch selbstfahrende Autos.
Es gibt in Wirklichkeit noch keine käuflichen, autonom fahrenden Autos im eigentlichen Sinn. Im Prospekt steht zwar mitunter ’Autopilot’, das sind aber nur automatisierte Assistenzsysteme, bei denen die Fahrer in Wahrheit die Hände nicht vom Lenkrad nehmen sollen und dürfen. Das ist den Fahrern aber nicht immer bewusst.
Ein Tesla-Fahrer starb, weil sein Auto in einen Lkw-Anhänger krachte, den es für ein Straßenschild hielt. Eine Fußgängerin wurde bei Nacht überfahren Wäre der Mensch da besser?
Der Mensch ist im Verkehr gar nicht so schlecht, wie man annehmen würde. Der Mensch erkennt Gefahrensituationen in der Regel sehr gut, er kann gut interpretieren, ob das Kinder oder ältere Personen sind. Das können Sensoren viel schwerer erfassen. Sensorisch zu erkennen, welche Absicht hat der andere, ist technisch sehr schwer umzusetzen. Dafür kann der Mensch nicht so schnell auf die Bremse steigen. Es geht bei der Unfallvermeidung darum, so viel Tempo wie nur möglich herauszunehmen. Ein Computer bremst in deutlich weniger als einer Sekunde. Der Zeitraum, in dem viele Unfälle noch vermeidbar sind, beträgt meist eine halbe bis 1,5 Sekunden.
Könnte man die Software um diese Fehler verbessern?
Klar kann man das, wir machen das auch. Wir simulieren Hunderttausende, Millionen Szenen, wir schauen, was passiert durch geringfügige Änderungen der Fahrparameter, der Fahrstrategien und Aktionen? Die besten Aktionen werden dann den Fahrzeugen eintrainiert. Damit sind wir bei der künstlichen Intelligenz, wir versuchen das Lernen von Menschen am Computer nachzubilden. Wir versuchen künstliche neuronale Netzwerke zu erschaffen, die ein mathematisches Abbild unserer biologischen Hirnstrukturen sind.
Der Bordcomputer soll irgendwann denken können wie ein Mensch?
Zumindest ist das das Ziel. Aber man muss natürlich offen sagen, dass es kaum fehlerfreie Software gibt. Sie müssen, wenn Sie ein Fahrzeug programmieren wollen, alle theoretisch möglichen Situationen berücksichtigen. Das ist de facto nicht möglich. Sie können die Software auch nicht mit dem Vertrauensgrundsatz der Straßenverkehrsordnung füttern. Man kann dem Computer nicht sagen: Geh davon aus, dass die andere Person vernünftig handelt. Und Sie können ihm schwer ethisches Denken beibringen, in dem Sinn, dass er wertet.
Ist das unfallfreie Fahren also ein Heilsversprechen?
In den USA und in Europa ist die Vision Zero festgeschrieben, also das Ziel, dass wir bis 2040 keine Verkehrstoten mehr haben. Ob das jemals erreicht wird, werden wir sehen, aber es werden große Anstrengungen gemacht. Klar ist, durch automatisiertes Fahren allein wird das nicht passieren. Man muss auch beim Verkehr und der Infrastruktur Dinge ändern.
Viele Tesla-Fahrer zeigen jetzt in Videos, wie sie freihändig auf öffentlichen Straßen herumkurven. Wie finden Sie das?
Ich würde den Herrschaften dringend raten, die Hände besser zum Fahren zu verwenden als mit dem Video herumzuspielen.
Wird sich das autonome Fahren durchsetzen?
Das hängt ganz davon ab, wie die Autohersteller das gestalten. Wenn das gut wird, werden die Leute das akzeptieren. Halblösungen, die Probleme oder Schwierigkeiten machen, werden sich nicht durchsetzen.
Es wird jetzt Teststrecken in Österreich geben. Muss man sich fürchten?
Tatsächlich arbeiteten mehrere große Konsortien gemeinsam mit Unterstützung des Ministeriums an verschiedenen Teststrecken in der Steiermark und in Oberösterreich, wo automatisierte Pkw und Lastwagen getestet werden. Wir haben im Vorfeld die ganze Absicherungsmethodik entworfen, das bringen wir in eines der Leitprojekte ein. Und Sie brauchen sich nicht zu fürchten, dass jetzt in Österreich fahrerlose Lkw unkontrolliert herumfahren. Wir lassen die vorher nur in der Simulation fahren. Erst wenn das in der Theorie sehr gut funktioniert, kommt der nächste Schritt.
Von Sonja Wenger