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Psst! Hier wird gestillt.

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Babys lieben es. Rat hilft. Und den bräuchten viel mehr Mütter, wenn es ums Stillen geht.

48 Tage alt ist  Raphael beim „Fenster“-Lokalaugenschein in den Salzburger Landeskliniken. Seit vier Tagen stillt ihn seine Mutter voll. „Wenn Raphael beim Anlegen meine Haut riecht, macht er gleich den Mund auf“, sagt Verena Ehrschwendtner. Ein ganz inniges Erlebnis sei für sie jede einzelne Stillmahlzeit, sagt die junge Mutter aus Moosham (OÖ) mit leuchtenden Augen.  Raphael kam neun Wochen zu früh auf die Welt. Nur mit zweistündlichem Milchabpumpen über drei Wochen gelang es Ehrschwendtner, ihr Kind inzwischen selbst  stillen zu können. Neben ihrem eigenen Einsatz war  die Hilfe der Stillberaterinnen in der Neonatologie grundlegend. Stillberatungsleiterin Natascha Denninger und Stillberaterin Elke Sams schauen hier täglich persönlich zu jeder Mutter, helfen bei Anfangsfragen wie  Saugproblemen oder Milchstau.

Stillen ist für Mütter nicht mehr selbstverständlich

Sams: „Die Mütter leisten  richtigen Einsatz. Und wir zeigen ihnen, was sie alles können.“ Immerhin sei Muttermilch das Beste für ein Baby und stärke die Beziehung Mutter-Kind intensiv. Was Denninger, Sams und  Stillberaterinnen in anderen Stationen, Spitälern sowie außerhalb  leisten, ist ein unschätzbarer Beitrag für Neugeborene, der noch viel stärker ausgebaut gehörte. Denn um das Stillen steht es in Österreich nicht besonders gut. Das stellte jüngst der österreichische StillberaterInnen-Verband (VSLÖ) angesichts eines weltweiten Still-Reports fest. „Wir haben großen Aufholbedarf“, sagt VSLÖ-Präsidentin Anita Schoberlechner.

Seit den 1970er-Jahren habe Fertigmilch zunehmend die Muttermilch verdrängt. „Sie können halt nicht stillen“ oder „Sie haben zu wenig Milch“ haben in den 1970er-Jahren viele Mütter zu hören bekommen, wenn „es“ nicht funktioniert hat.  Die Folge, so Schoberlechner: „Der Wert der Muttermilch ist verloren gegangen.“ Der Stillverband will Stillen wieder so selbstverständlich  machen, wie es einmal war. In der  Weltstillwoche von 1. bis 7. Oktober können Mütter auch in Salzburg Info-Veranstaltungen besuchen (siehe Kasten).

Sorge: „Ich habe zu wenig Milch“

Ein Baby – völliges Neuland für viele Frauen. Sozialarbeiterin Schoberlechner: „Da gibt es 30-, 40-Jährige, die noch nie ein Baby im Arm hatten“.  Gängig sei der Mythos, Babys bräuchten nur alle vier Stunden Milch und schliefen durch. Doch nur im ständigen Kontakt mit seiner Mutter zeige sich, wie oft der Säugling tatsächlich Nahrung brauche. „Wir zeigen den Jungmamas, wie sie an ihrem Kind und an seiner Windel erkennen, ob es gut genährt wird“, schildert die Stillberater-Präsidentin. Damit will man den Frauen ihre häufigste Sorge  „Ich habe zu wenig Milch“ nehmen.  Auch in punkto schöner Busen beruhigt die Fachfrau: „Die Brust kann vom Stillen etwas schlaff werden, baut sich meist nach dem Abstillen aber wieder so auf, wie sie vorher war.“

In der Arbeit stillen? Sicher!

Aufmerksam machen die Stillberaterinnen darauf, dass man auch in der Arbeit Stillen kann. „Vielen Unternehmen schmeckt das nicht“, weiß Schoberlechner aus ihrer Arbeit. Mütter würden „blöd angeredet“, Stillen in der Arbeit ausdrücklich nicht gutgeheißen. In solchen Fällen stehen Stillberaterinnen zur Seite, wenn nötig, geht man auch vor Gericht. Manchmal stehen sich Frauen selbst im Weg. Jüngst habe sie eine Mutter betreut, die bei jeder Stillmahlzeit Firmenmails gecheckt habe. Schoberlechner: „Manchmal muss ich eine Frau zum Mama-Sein erst hinführen.“

Gut zu wissen:

Hebammen-Hausbesuch Seit 1. Jänner 2017 haben alle Frauen Anspruch auf fünf Hebammen-Hausbesuche auf Krankenschein in den ersten fünf Tagen nach der Geburt ihres Kindes und sieben weitere in den ersten acht Wochen. Leider gibt es dafür viel zu wenige Hebammen mit Kassenvertrag. Zumindest kann man jede Hebammenrechnung seither bei der Krankenkasse einreichen, die einen Teil rückerstattet.

Am Arbeitsplatz Gesetzlich gesichert und vielen Frauen unbekannt ist seit einigen Jahren  das Recht, nach viereinhalb Stunden Arbeit 40 Minuten lang ihr Kind stillen zu dürfen. Alternativ ist Milchabpumpen möglich.

Stillstudie Laut der 2006 veröffentlichten Stillstudie der österreichischen Gesundheitsagentur AGES werden drei Monate nach der Geburt  nur noch 60 Prozent der Neugeborenen voll gestillt, drei Monate später  nur noch zehn Prozent. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, Säuglinge sechs Monate lang voll zu stillen. Diesen Herbst startet die AGES wieder eine Stillstudie. Ergebnisse sollten im Laufe des kommenden Jahres vorliegen.

Still-Info-Stand für Schwangere am 1. Oktober von 9 bis 14 Uhr, in der Pränatalambulanz im Salzburger Landeskrankenhaus.

Stilleckentreffen am 2. Oktober Stillfrühstück mit Austausch und Beratung für interessierte  Mütter: Am 2. Oktober von 9 bis 12 h  im Ikea Salzburg (Restaurantbereich).

Wichtige Infos  zum Thema  auf www.stillen.at und auf www.hebammen.at

Von Sabine Tschalyj

Bild oben: Vierter Stilltag! Raphael, Verena Ehrschwendtner, Elke Sams und Natascha Denninger. Bild: Tschalyj


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