Ich hab als Kind nicht fernsehen dürfen und Zucker essen auch nicht. Das klingt jetzt arm, war von meiner Mama aber einfach nur gut gemeint.
Sie wollte uns gesund ernähren, und es waren die Achtzigerjahre. Da ist eine erste Ökowelle über Österreich geschwappt, deswegen hatten wir eine Getreidemühle in der Küche. Kresse und Keimlinge hatten wir auch auf der Küchenfensterbank, es gab Schrot und Brei und Dinkelbrot und Dinkelkuchen und Dinkelspaghetti.
Mein Bruder und ich haben zum Ausgleich eine übermäßige Zucker- und Weißmehlsucht entwickelt, die wir durch gezielte Taschengeldverwertung befriedigt haben: Jeden erhaschten Groschen haben wir im Kramerladen gegen Gummischlangen, Colakracher und Esspapier eingetauscht.
Für den Fernsehmangel mussten wir auch woandershin ausweichen: ins Nachbarhaus. Daheim war die Mama zu schlau – die ist uns immer auf die Schliche gekommen, wenn wir heimlich ferngesehen haben, indem sie den Röhrenfernseher berührt hat. Der war dann nämlich warm, der Verräter.
Lieber als fernsehen sollten wir rausgehen: in den Wald, zum Bach, zum Radlfahren, zum Bobfahren, Hauptsache raus. Ob bei Hitze oder Regen oder Schnee, wir waren Draußenkinder, der ganze Dürrnberg unser Zuhause, all die Bäume und Wiesen und versteckten Winkel, es war das Paradies.
Aber manchmal wollten wir halt lieber Knight Rider und die Ducktales und MacGyver und Full House anschauen. Also sind mein Bruder und ich ins benachbarte Café zu unseren Freunden geschlichen – da konnte man hinten über die Terrassentür ins Wohnzimmer, zum Fernseher. In die Caféküche konnte man auch, da haben wir gierig mit den Fingernägeln den zuckrigen Kuchenrand vom Blech gekratzt wie kleine Wölfe.
Und deswegen erlaube ich meinen Kindern heute mehr. Ich möchte ihnen das Fernsehen und das Naschen nicht verbieten – weil ich weiß, wohin das führt. Natürlich dürfen sie nicht Schokolade und Netflix ohne Ende konsumieren, wir spazieren vielmehr auf einem hoffentlich goldenen Mittelweg: Sie dürfen Süßes essen („aber nur eins!“) und Kika schauen („aber nach der Folge schalten wir aus!“) – in Maßen und mit vorher abgesprochenen Regeln.
Weil ich halt, wenn sie mich fragen, mich selbst in Erinnerung habe: wie gern ich was genascht hätte, wie gern ich Arielle geschaut hätte. Und dann bring ich’s nicht übers Herz, Nein zu sagen. Auch wenn die Mama damals sicher Recht gehabt hat: Gesünder ist es. Und statt fernzusehen, hab ich sehr viel gelesen. Wohin DAS geführt hat, wissen wir ja …
Mareike Fallwickl ist Texterin und Autorin. Mail: interaktiv@svh.at