Der zwangsweise Einbau von „Smart Metern“ polarisiert. Was bringt es, wenn der Stromverbrauch viertelstündlich übertragen wird?
Erbost wenden sich in jüngster Zeit Salzburgerinnen und Salzburger an das „Fenster“. Sie kritisieren die ab Herbst 2019 vorgesehene, verpflichtende Einführung intelligenter Stromzähler, auch „Smart Meter“ genannt. Edith L. ist eine von ihnen. „Ich will keinen Smart Meter. Der erzeugt Elektrosmog und verursacht mir Extrakosten“, so die Stromkundin. Auch dass ihr Stromverbrauch viertelstündlich an den Stromnetzbetreiber Salzburg AG übertragen wird, will L. nicht: „Davon hat höchstens ein Hacker etwas.“ Wie Edith L. haben sich bereits zahlreiche Salzburger an die Selbsthilfegruppe Elektrosmog Salzburg und an die Initiative www.stop-smartmeter.at gewandt.

Die bewährten Ferraris-Zähler müssen weichen. Kritiker wie Edith L., im Bild, fürchten Nachteile durch die digitalen Stromzähler „Smart Meter“. Bild: Sabine Tschalyj
Die Aufregung rund um die intelligenten Stromzähler ist hausgemacht. Grundlage ist eine EU-Richtlinie zur Digitalisierung der Stromnetze. Österreich ist vorgeprescht. Bis 2022 sollen hier in 95 Prozent der Haushalte Smart Meter eingebaut sein – dabei fordert das die EU gar nicht. Deutschland etwa lässt sich bis 2029 Zeit. Problematisch: Bei dem energiepolitischen Großvorhaben legte das Wirtschaftsministerium weder eine objektive Kosten-Nutzen-Analyse vor noch informierte es die Öffentlichkeit ausreichend über die Mehrkosten und den Datenschutz. Diese unschöne Vorgeschichte schürt jetzt, kurz vor der bundesweiten Einführung, Misstrauen und wirft Fragen auf. Worum geht es genau? Wir haben bei der Salzburg AG und beim Konsumentenschutz der Arbeiterkammer Salzburg nachgefragt (siehe Kugel).
Für die Umstellung zahlen die Bürger
Wichtigste Fakten: Wie viel jeder Kunde für die Einführung der intelligenten Stromzähler zahlen muss, ist noch völlig offen. Die Mehrkosten werden über die Netztarife verrechnet, nicht aber unter „Messentgelt“ klar auf der Rechnung ersichtlich sein.
Nutzen für „smarte“ Kunden
Durch Smart Meter können laut Salzburg AG erneuerbare Energiequellen und private Photovoltaikanlagen besser in das Stromnetz eingebunden werden. E-Auto-Besitzer können ihr Auto laden, wenn der Strom gerade günstig ist – der Smart Meter zeigt es an. Für AK-Konsumentenschützer Stefan Göweil ist das Stromsparpotenzial für den Einzelnen endend. Die Regierung habe es überzogen dargestellt.
Kunde wird gläserner
Der Stromkunde wird gläserner, wenn sein Stromverbrauch viertelstündlich übertragen wird. Auch wenn die Salzburg AG behauptet, „Rückschlüsse vom Energieverbrauch der Kunden auf deren Lebensweise sind nicht möglich“. Das neue System sei so sicher wie E-Banking, jeder Zähler einzeln verschlüsselt. Hacker hätten den gleichen Aufwand wie beim Einbruch in ein Bankkonto.
Elektrosmog ist umstritten
Hier scheiden sich die Geister. Laut Salzburg AG sind die elektromagnetischen Werte der Smart Meter viel geringer als die vieler anderer Elektrogeräte. Das Eindringen in den geschützten Wohnbereich empört dagegen die Selbsthilfegruppe Elektrosmog. „Bei der geplanten Übertragung der Stromverbrauchsdaten über das Stromkabel könnten die Smart Meter der Nachbarwohnungen ihre Signale gegenseitig verstärken. Für Elektrosensible heißt das noch mehr Herzrasen und Kopfschmerzen“, sagt Sprecher Peter Müller aus Oberndorf. Er fordert eine Übertragung über das Telefonkabel. Man wolle E-Smog-Messungen im Burgenland machen, wo bereits Smart Meter eingesetzt sind.
Strom-Aus für Verweigerer?
Edith L. ist verunsichert. Sie fürchtet, dass ihr die Salzburg AG den Strom abdreht, wenn sie keinen Smart Meter einbauen lässt. Ob man das tun wird, darüber hält sich die Salzburg AG bedeckt. Kunden könnten ja die Opt-out-Regelung wählen.
„Opt-out“ zur Beruhigung
Mit dieser von der AK für alle Stromkunden durchgesetzten Regelung (ursprünglich waren gesetzlich nur 5 Prozent Ausnahmen vorgesehen) kann nun jedermann einen deaktivierten Smart Meter anfordern. „Den kann man nicht ablehnen“, erklärt Konsumentenschützer Stefan Göweil. Er schließe Stromabschaltungen eher aus. Anzunehmen ist, dass die deaktivierten Stromzähler über kurz oder lang aktiviert werden. Ein Hinweis darauf ist: Auch sie tragen zur Erfüllung der Quote von 95 Prozent Smart Meter in Österreich bei.
Von Sabine Tschalyj
Kosten für Kunden ungewiss
Die intransparente staatliche Vorgangsweise bei der Smart Meter-Einführung kritisierte der Rechnungshof massiv. Die E-Control griff sogar in jene Kosten-Nutzen-Analyse ein, auf deren Basis das Wirtschaftsministerium den Startschuss für die Smart Meter gab. Welche Kosten auf die Stromkunden zukommen, ist ungewiss. Opt-out heißt die Alternative für Stromkunden. Bei diesen Smart Metern werden die intelligenten Funktionen vorerst deaktiviert. Stromabschaltung aus der Ferne ist nicht möglich. Die AK bietet dafür Musterbriefe an.
Bild oben: Pixabay