Mitarbeiterin von FPÖ-Nationalrat Pewny war bei Identitären. Sie ätzte über Tote.
Martin Sellner, Frontmann der umstrittenen Identitären, zeigt erstmals so etwas wie Respekt vor dem massiven Widerstand, der sich in der politischen Öffentlichkeit gegen seine Gruppierung auftut. In seiner Videobotschaft der Vorwoche sieht er sich als Opfer des „tiefen Staats“ der Linken, der seine Bewegung vernichten wolle. Bekanntlich prüft die Bundesregierung die Auflösung der Identitären, nachdem die Spende des Christchurch-Massenmörders an Sellner bekannt wurde. Eine Liste mit 364 Mitgliedern des Bundesamts für Verfassungsschutz enthält auch Namen freiheitlicher Regionalpolitiker und jene von zwei Söhnen eines prominenten ÖVP-Politikers, so die SN.
Im nationalen Lager brodelt es. Auf der Facebook-Seite von FPÖ-Chef Heinz-Christian postete ein Anhänger, wie der Konflikt vielfach gesehen wird: „Die Identitären machen nichts anderes als Sie, Herr Strache, jahrelang gutgeheißen haben.“ Es seien „junge Patrioten“.
Sellner lebt von Spenden
Dies, hält der Verfassungsschutz in mehreren Berichten fest (2014-2018), sei die Sicht von uninformierten Außenstehenden. Tatsächlich vertrete die Identitäre Bewegung „rechtsextreme Ideologieelemente“ und sei „islamfeindlich“. Dieser Kern werde verschleiert. Denn der 30-jährige Chefaktivist Martin Sellner, ein junger Wiener, der von Spenden lebt, ständig in Europa unterwegs ist, Hornbrille und Haarschnitt Marke 1940er-Jahre trägt, wirke wie der „Justin Bieber der Neuen Rechten“ (Die Zeit). Tatsächlich haben „jüngere Neonazis und Personen aus dem studentischen und burschenschaftlichen Milieu“ die Protestbewegung ab 2012 in Österreich etabliert. Es habe stets Berührungspunkte mit den Freiheitlichen gegeben, weiß das Onlineportal „FPÖ Fails“. Strache selbst teilte 2015 Videos der französischen „Generation Identitaires“; Herbert Kickl sprach 2016 bei einem Kongress der „Verteidiger Europas“ in Linz, der maßgeblich von den Identitären organisiert wurde, so Karl Öllinger, Gründer der Plattform „Stoppt die Rechten“. Das Portal weiß noch mehr.
Von Sozialisten zu Identitären
Vom früheren FPÖ-Landtagskandidaten Reinhard R. gibt es Fotos, wie er in Freilassing mit Identitären Fahnen schwingt. In R.s Burschenschaft Gothia wurde zum identitären Abend geladen, Thema: „Der große Austausch“. FPÖ-Gemeinderat Andreas Reindl kam nach dem Charlie-Hebdo-Attentat bei einer Mahnwache der Identitären zu stehen – versehentlich, wie Reindl später meinte.
„Rassismus tötet, Züge auch“
Die aus Salzburg stammende Mitarbeiterin des FPÖ-Abgeordneten und Radstädter Bürgermeisters Christian Pewny engagierte sich zunächst bei der Sozialistischen Jugend, legte dann ein „Zwischenspiel bei den Identitären ein“ (ein FPÖ-Kamerad auf Facebook), ehe sie beim RFJ und im Parlamentsklub Wien landete. Die Politikstudentin war auch Administratorin einer offenen FPÖ-Gruppe, wo man die hässlichste Fratze des nationalen „Patriotismus“ zeigte. Eine KZ-Überlebende wurde als „Lageroma“ bezeichnet. Weitere, inzwischen gelöschte Postings der Jung-Blauen, zum Paris-Attentat: „Die linken Schreiberlinge sind aufgrund ihrer eigenen politischen Forderungen draufgegangen.“ Zum Tod zweier Flüchtlinge in Mazedonien, die vom Zug erfasst wurden: „Rassismus tötet. Züge auch.“ Die EU solle „sofort alle Flüchtlinge von dort abholen und Bahngleise verbieten“. FPÖ-Landtagsklubsprecher Dom Kamper erledigte die erforderliche Distanzierung: „Die Kollegin hat nichts mit den Identitären zu tun. Sie hat vor Jahren lediglich von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch gemacht. Sie bekennt sich vollinhaltlich zur FPÖ.“
Sonja Wenger