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Meditation im Trend: Auch Herr Hutter horcht in sich hinein

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Das  Bedürfnis nach innerer Ruhe steigt. Nach dem Körper trainieren jetzt viele den Geist. Auch im Fitnesscenter steht Meditation hoch im Kurs.

Ulrich Hutter liebt seinen Job. Bis zu 80 Stunden arbeitet er die Woche. Der 40-Jährige leitet das Software-Unternehmen GMS, hat 60 Mitarbeiter. Seine Frau führt ein Hotel im Lungau, zwei Kinder (6 und 9) sorgen für Schwung. Dazu kommt, dass er wöchentlich vom Lungau in die Stadt pendelt, und dass GMS auch ein Büro am Katschberg und in Berlin hat.

Man könnte nicht behaupten, dass Herrn Hutter langweilig ist. Wer so viel auf Achse ist, dem bleibt die Luft weg, sollte man meinen. Ulrich Hutter klingt aber ganz entspannt. Denn er hat für sich einen Ausgleich gefunden: Er meditiert. „Ich habe gelesen, um ein Burn-Out zu verhindern, solle man weniger arbeiten, mehr sporteln oder meditieren. Ersteres geht nicht, Zweiteres okay, Letzteres habe ich versucht.“

Im Fitnesscenter Vitaclub Süd wurde er vor über einem Jahr auf Meditationskurse aufmerksam. „Stillsitzen und nichts denken, das ist am Anfang unmöglich. Doch dann spürt man, wie Puls und Atem langsamer werden. Meditation holt dich total runter.“

Alle ein, zwei Wochen fährt er zur Meditation in der Gruppe, auch versucht er, morgens allein zu meditieren. Sein Pensum von drei Stunden die Woche will er steigern, denn „sobald der Geist still ist, wird die Welt klar. Viele Sachen sind auf einmal logisch, man findet schneller Lösungen.“

Die Beschleunigung unserer Gesellschaft liegt nicht zuletzt an der Digitalisierung der Welt. Dass ein Unternehmer, der diese Entwicklung mitträgt, selbst nach Ruhe sucht, scheint paradox. „Wenn ich Holzfäller wäre, würde ich kaum meditieren“, glaubt Hutter.

Doch die ständige Erreichbarkeit führe die Aufmerksamkeit der Menschen an ihre Grenzen. „Der Einzige, der heute in einem Meeting zuhört, ist der, der gerade redet. Alle anderen schauen aufs Handy, überall piepst es, weil Nachrichten eingehen.“ Seine Mitarbeiter wissen, dass ihr Chef meditiert, einen hat er zur Meditation mitgenommen. „Aber das war nichts für ihn.“

Man sucht nach persönlicher Entfaltung und innerer Ruhe

Mit Religion und Spiritualität hat Hutter wenig am Hut, ihm geht es um die innere Ruhe. „Da kommst du in einen tranceartigen Zustand – den willst du das nächste Mal wieder erreichen. Mit Druck geht aber gar nichts.“
Claudia Petschnig initiierte Anfang 2016 die Zen-Lounge im Vitaclub. Zuvor hat sich die ausgebildete Yoga- und Meditationslehrerin in Deutschland umgesehen.

Dort gibt es eine ganze Kette, die Spirit Lofts in ihre Fitnesscenter integriert hat. Auch in Salzburg springen die Menschen auf: „Die Kurse sind jede Woche voll. Die Leute suchen im Netz gezielt nach Kursen“, sagt die gebürtige Oberalmerin, die auch Schnupperkurse (90 Minuten) zum Einsteigen anbietet.

Löst Meditation Yoga als Trend ab? Das könne man so nicht sagen, sagt Petschnig. Denn das Ziel beim Yoga sei die Meditation. Die Körper- und Atemübungen, die viele unter Yoga verstehen, seien ja nur der Anfang eines achtteiligen Pfades.

Sie glaubt, dass Meditation noch boomen wird: „Die Menschen sind auf der Suche nach Entfaltung. Woher soll man Kraft entwickeln, wenn nicht aus sich selbst? Die Zen-Meditation hat eine 2600 Jahre alte Tradition, sie ist gut erprobt.“ Zwischen Weihnachten und Jahresbeginn sei eine gute Zeit, um damit zu beginnen. Die Natur ruhe, das helfe auch dem Menschen, nach innen zu gehen, so Petschnig.

Ulrich Hutter konnte sogar schon seine Kinder fürs Meditieren gewinnen. Seine Frau hält nichts davon, sein Sohn ist begeistert. Meditation ist im Hause Hutter also eher Männersache. Vielleicht wird sie sogar ins Warten aufs Christkind eingebaut.

Von Petra Suchanek

 

Fotocredit: Marco Riebler


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