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Alle wollen nochmal ins Museum alter Küche

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Seit Roland Essl kundtat, mit März zu schließen, gibt es einen regelrechten Ansturm. Kein Wunder: Mit Essl und dem Weiserhof verschwindet etwas Besonderes.

Nun gilt der Mann zu Recht als traditionsbewusstester Koch Salzburgs. Und doch nützt er eine quietsch-moderne Entwicklung –  er macht seinen Betrieb quasi zum Pop-up-Lokal. In einem SN-Interview kündigte Roland Essl an, seinen Weiserhof im März zu schließen. Diese Pop-up-Lokale existieren nur kurze Zeit und alle laufen rechtzeitig hin, weil sie nix versäumen wollen. Essl löst mit seiner Ankündigung den gleichen Boom aus. Das wirkt nicht? Doch. Auch der Vorkoster hat reserviert.

Da verschwindet etwas Besonderes. Essl ist ein Mann mit einer Botschaft: Er will erhalten, was die Vorfahren an Kost in den Alpen schufen. So legt er Faltblätter auf und serviert Gerichte mit Geschichte. Man liest über Schotten, Hoargneistnidei und Saumoas’n – Nahrung, die der rauen Landschaft abgetrotzt wurde. Es geht ihm um die besonderen Aromen, die so entstanden, und auch uns Heutige erfreuen können. Mit dieser seiner Sendung steht Essl in Salzburg allein da.

Aufgewachsen als Wirtssohn, übernahm er aber nicht den heimischen Krimpelstätter in Mülln. Es zog ihn zur Ausbildung ins Corso in Wien  unter dem großen Reinhard Gerer. Dort lernte er alle Küchentechniken – die er nun im Weiserhof im Keller anwendet: wo er Tiere zerlegt und alle Teige selbst fertigt. Das ist richtige Arbeit, so ein Kochen von Grund auf, selbst mit gut geschulter Küchenbrigade. Und so gönnt er sich ab Frühjahr eine Auszeit.

Die Karte versammelt einzigartige Gerichte. Klar, dass wir uns Stinkerknödel ausgesucht haben (€ 3,90 als Vorspeise), der tollste Name, die logischste Geschichte. Wenn der Graukas im Alter überreif wurde, zu Laufen und zu Riechen begann, musste er verbraucht werden. Mit gestampften Kartoffeln zum Knödel geformt und von Röstzwiebeln begleitet, schmeckt der attraktiv wuchtig. Neben den Rote-Rüben-Knödel (€ 5 als Vorspeise) verblüffte das herbe Aroma des mit Schabziger Klee parfümierte Kraut. Ob die Bergbauern früher schon Rosmarin kannten? Egal: Essl brät die Haut eines Huhns knusprig, sein Fleisch bleibt saftig, Rosmarin sorgt für die Würze und ein Butter-Olivenöl-Mix für einen ungeniert fetthaltigen Saft (€ 19). Das Bauernbratl (€ 12,50) war, wie sein Krautsalat mit Speck, erwartbar klassisch. Besser die gebratene Blutwurst (€ 12,50): trocken, kraftvoll, ein wunderbarer Ton. Im Gang hängt die Silbermedaille, die Essl 2009 bei einem Wettbewerb in Frankreich für diese außergewöhnliche Wurst bekam.

Wer nutzt schon Kornelkirschen, gern Dirndl genannt? Hier sorgten sie im Tiramisu (€ 7,50) für Farbe und Frische. Die Bartlmä Knödel (€ 7,50) waren außen knusprig geraten und innen fruchtig durch Apfelfülle mit Zimt. Und als Germknödel (€ 7,50) kam endlich mal kein Gummibusen daher sondern ein hausgemachter feiner Teig, schön mit Butter und Mohn überzogen.

Schade, dass Roland Essl aufhört, er ist über die 13 Jahre immer besser geworden. Wenn er ein Museum der alten Küche führt, dann ein sehr lebendiges. Wir erlebten den Weiserhof als gut besucht, kein freier Tisch. Das mochte am Pop-up-Status liegen oder einfach am guten Essen.


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