Birgit Birnbacher nimmt den Optimierungsdruck ins Visier. Um diesen geht es auch im nächsten Buch der Bachmann-Preisträgerin.
Schneller, gesünder, schöner: So sollen wir sein, wenn wir uns dem wachsenden Optimierungsdruck unterwerfen. Digitale Helfer wie Fitness-Apps oder Schrittzähler geben dem Trend einen spielerischen Anstrich, aber wollen wir uns wirklich ständig vermessen? Über diese Fragen sprechen am 4. Oktober im Bildungszentrum St. Virgil Salzburg prominente Gäste. An der Podiumsdiskussion nimmt neben Soziologe Stefan Selke (D) und Benediktinermönch Johannes Pausch Birgit Birnbacher teil. Die Salzburger Autorin und studierte Soziologin hat im Juni den Ingeborg-Bachmann-Preis 2019 gewonnen.
SF: Frau Birnbacher, was war Ihr persönlicher Anlass, sich mit dem Thema Selbstoptimierung zu beschäftigen?
Birgit Birnbacher: Ich beschäftige mich literarisch schon eine Weile mit dem Thema Lebenslauf. Er ist in unserer Kultur ein wichtiges Papier, wenn Sie so wollen, das Zeugnis unserer laufenden Selbstoptimierung.
Wer steht Ihrer Meinung nach unter besonders großem Druck, fit, gesund und schön zu sein, und warum dieser Druck?
Das ist wahrscheinlich nicht nur eine Frage des Alters und Geschlechts, sondern auch des sozialen Milieus, in dem man sich bewegt. Was schön und gesund ist, wird ja auch ständig neu definiert und verändert. Eine Konstante in dem ganzen Gefüge ist aber vielleicht schon dieser Optimierungsdruck der jeweils eigenen Verhältnisse, also wie man wohnt, arbeitet, lebt, Freizeit verbringt, Kinder erzieht, heiratet, feiert, Urlaub macht. Ich denke, dass sich diese ganze Daumen hoch, Daumen runter-Mentalität als eine Vereinfachung in unser Denken und Handeln einschleicht. Die Welt ist nun einmal komplex, und die Menschen sehnen sich nach Einfachheit.

„Autorin Birgit Birnbacher: Frauen müssen in Familie und Beruf oft mehr leisten.“ BILD: Miriam Laznia
Warum fühlen sich so viele Frauen unter Optimierungsdruck?
Ich weiß nicht, ob Frauen tatsächlich einen größeren Druck haben als Männer. Dass wir aber nach wie vor großen Aufholbedarf in der Gleichberechtigung von Frauen haben, was Kindererziehung und damit einhergehende Teilzeitarbeit und Altersarmut betrifft, ist aber wohl weitgehend unbestritten. Menschen, die Familienaufgaben nachkommen, haben weniger Zeit, andernorts erfolgreich zu sein. Es ist nicht schwierig, daraus den Schluss zu ziehen, härter arbeiten zu müssen, um besser zu sein oder mithalten zu können. Frauen müssen in diesen Bereichen oft mehr leisten, und das auf kürzerer Strecke, mit weniger Ertrag, und im Kreuzfeuer der Meinungen des privaten und beruflichen Umfelds.
Sie arbeiten gerade an einem Buch, das sich mit Selbstoptimierung auseinandersetzt. Verraten Sie uns etwas darüber?
In meinem neuen Roman „Ich an meiner Seite“, der im kommenden Frühjahr im Zsolnay Verlag erscheint, geht es um einen jugendlichen Haftentlassenen, der sich einer speziellen Therapieform bei einem ziemlich unkonventionellen Kerl unterziehen muss. In dieser „Therapie“, die eigentlich mehr ein Rettungsversuch des Geltungsbedürfnisses des Therapeuten ist, soll er dauernd Idealvorstellungen von sich selbst entwerfen, und dann danach streben, so zu sein. Er entwirft eine Art Weichzeichnung seiner selbst, etwas, was wir aus sozialen Medien gut kennen, er soll einfach „so tun als ob“. Das Ganze geht natürlich vollkommen schief.
Fitness-Apps und Schrittzähler können für manche Menschen sinnvoll sein. Wann ist es zu viel?
Über diese Dinge weiß ich nichts, so etwas muss jeder für sich selbst beurteilen. Menschen haben ja aus ganz verschiedenen Gründen Spaß daran, an sich zu arbeiten, das ist ja per se meiner Meinung nach überhaupt nichts Verwerfliches. Jeder sucht halt den Draht zu sich selbst auf eine andere Weise, das ist schließlich auch etwas, was uns am Leben erhält.
Von Sabine Tschalyj
Podiumsgespräch „Schneller, gesünder, schöner. Vom Sinn und Unsinn von Selbstverbesserung und Selbstkontrolle“. Fr., 4. Oktober, 19.30 Uhr, St. Virgil. Beitrag: 8 Euro. Anmeldung unter:anmeldung@virgil.at
Bild oben: Fitness-Apps auf der Smartwatch oder dem Smartphone sollen uns Beine machen, in Job und Familie sollen wir glänzen. Bild: St. Virgil/istock