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„Hunde passen zum Menschen“

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Warum sie dennoch  klare Regeln brauchen, weiß Martin Rütter. Der Hundeprofi ist am 7. März   live in der Salzburgarena zu erleben.

Klappt etwas nicht mit dem Hund, liegt es am oberen Ende der Leine, weiß Hundetrainer Martin Rütter. Millionen verfolgen seine TV-Shows,  auf der Bühne setzt er auf Humor, um  im Beziehungsdschungel von Mensch und Hund die Augen zu öffnen. So auch am 7. März in seiner neuen Show „Freispruch!“.

SF: Herr Rütter, können Sie es nachempfinden, dass jemand Angst vor Hunden hat?

Martin Rütter: Auf jeden Fall. Leuten, die generell große Angst vor Hunden haben, hilft oft der Besuch einer Hundeschule, in welcher sie die Körpersprache des Hundes erlernen und den Hund damit besser einschätzen können.

SF: Sie meinten einmal, Sie trainieren nicht den Hund, sondern den Menschen. Was ist denn der häufigste Fehler in der Kommunikation von Hund und Mensch?

Es gibt drei Kardinalfehler in der Beziehung zwischen Hund und Mensch. Die extreme Vermenschlichung, denn diese schürt Erwartungen, die der Hund niemals erfüllen kann. Ein Hund kann nicht denken und handeln wie ein Mensch. Dazu kommt mangelnde Konsequenz. Menschen stellen Regeln auf, gehen dann aber zu lax mit diesen um. Immer sonntags darf der Hund mit am Frühstückstisch sitzen und bekommt sein Leberwurstbrötchen, an den anderen Tagen aber nicht. Das kapiert kein Hund und verunsichert ihn nur.

Ein Hund benötigt klare Regeln, nur so kann er Vertrauen zu seinem Menschen aufbauen und sich auch in schwierigen Situationen auf ihn verlassen. Und ein weiteres Problem ist die mangelnde Beschäftigung. Hunde brauchen körperliche und geistige Auslastung.

SF: Gibt es klassische Missverständnisse?

Was die Missverständnisse angeht, gibt es natürlich Klassiker wie zum Beispiel das Anspringen bei der Begrüßung, das fast immer als Freude des Hundes empfunden wird. In den wenigsten Fällen ist es aber freundlich gemeint, sondern viel häufiger als Korrektur am Menschen, der den Hund nicht mit nach draußen genommen hat. Oder das Schwanzwedeln, das die meisten Leute ebenfalls generell als Freude interpretieren. Dabei kann das Schwanzwedeln sehr unterschiedliche Bedeutungen haben. Wenn zum Beispiel der Körper beim Wedeln ruhig ist, und der Hund hält dabei den Kopf leicht abgesenkt und fixiert sein Gegenüber, zeigt die wedelnde Rute lediglich die Aufregung des Hundes kurz vor einem Angriff.

„Klientengespräch“: Hundetrainer Martin Rütter weiß, was Hunde brauchen. Fotos (2): Guido Engels

SF: Heute gibt es Hundeyoga, veganes Futter für Hunde … Vermenschlichen wir den Hund zu sehr und übersehen dabei seine wahren Bedürfnisse? 

Bei dem Thema Vermenschlichung muss man ein wenig differenzieren. Wenn man seinen Hund mal vermenschlicht, geht ja nicht direkt die Welt unter. Ich habe meinem Hund abends auf der Couch auch schon mal meine Sorgen und Nöte des Tages erzählt. Kein Problem. Es darf nur nicht eskalieren, dass ich permanent meine Wünsche auf den Hund projiziere. Das schürt Erwartungen, die der Hund niemals erfüllen kann.

Die Kernfrage lautet: Was stört den Hund? So lange der Hund in seiner geistigen und körperlichen Freiheit nicht eingeschränkt wird und nach seinen natürlichen Bedürfnissen entspannt leben kann, ist alles okay. So ist beispielsweise gegen ein mit Diamanten besetztes Halsband nichts zu sagen, denn es beeinträchtigt den Hund nicht. Das gilt auch für das pinkfarbene Märchenschloss als Hundehütte. Dagegen habe ich nichts.

Gefährlich wird’s aber, wenn der Hund zum Oktoberfest ins Dirndl gezwängt wird. Da hört der Spaß auf, das ist Tierquälerei. Und auch beim Thema vegane Ernährung muss man vorsichtig sein. Sicher, es gibt  veganes Hundefutter – aber der Hund ist Fleischfresser. Bei Menschen find ich diesen Trend zu veganer Ernährung super, aber einen Fleischfresser dazu zu zwingen, der sich das gar nicht aussuchen kann – das ist Wahnsinn und führt oft zu Problemen.

SF: Sie sagten einmal, die meisten Probleme entstehen, weil der Hund unterfordert ist. Wie beschäftige ich ihn richtig? 

Das ist sicherlich sehr individuell. Wichtig ist, wie erwähnt, dass der Vierbeiner sowohl körperliche, als auch geistige Beschäftigung erhält. Prinzipiell ist Auslastung ein ganz wichtiges Thema, weil ganz viele Probleme dadurch entstehen, dass unsere Hunde nicht ausreichend beschäftigt werden. Ein monotoner Spaziergang, bei dem nichts wirklich Spannendes passiert, ist für viele Hunde todlangweilig. Der Hund denkt sich: Hier ist ja gar nichts los, dann mache ich es mir mal selber nett.

SF: Kommt es zu Hundeattacken, sind oft Kinder davon betroffen. Worauf muss man achten, wenn man mit seinem (Klein-)Kind bei jemandem zu Gast ist, der einen Hund hat?

Die Eltern müssen besonders auf das Zusammenspiel von Hund und Kindern achten und gegebenenfalls einschreiten. Im Idealfall wird der erste Kontakt direkt dazu genutzt, um das Kind über die wichtigsten Verhaltensregeln im Umgang mit Hunden aufzuklären.

Kinder verhalten sich beim ersten Kontakt sehr unterschiedlich. Es gibt Kinder, die sich mit einem lauten Begeisterungsschrei direkt auf den Hund stürzen, um ihn zu streicheln wie ein Kuscheltier. Hier gilt es in erster Linie, den Hund zu schützen, der durch so einen spontanen „Angriff“ überrascht mit Abwehrschnappen reagieren kann.

Kindern muss man erklären, dass Hunde generell sehr leise kommunizieren. Eine Begrüßung findet immer ruhig statt, auf keinen Fall rennt ein Hund auf einen anderen frontal zu. Dann geht man mit dem Besucherkind gemeinsam in einem leichten Bogen in die Nähe des Hundes, hockt sich hin, und ruft diesen zu sich. Der Hund darf nun das Kind an der Hand abschnüffeln und das Kind im Gegenzug den Hund vorsichtig am Hals streicheln.

SF: Wie sollte man seinen Hund darauf vorbereiten, wenn man ein Baby erwartet? Damit er nicht „eifersüchtig“ wird?

Damit hier keine Probleme auftreten, muss man früh anfangen, den Hund auf die veränderte Situation vorzubereiten. Denn Hunde wissen in der Regel schon in der Schwangerschaft, dass sich etwas verändert. Hatte der Hund bisher viele Privilegien, wie z. B. im Bett schlafen, sich überall frei zu bewegen und Spielzeug frei zur Verfügung zu haben, darf man diese nicht erst verändern, wenn das Baby einzieht. Sonst kann es schnell dazu kommen, dass der Hund den Grund für den Abbau seiner Privilegien im Einzug des neuen Familienmitgliedes sieht.

Folgende Maßnahmen können in den Wochen vor der Geburt sinnvoll sein: Der Raum, der als Kinderzimmer vorgesehen ist, wird tabuisiert, der Hund darf diesen Raum nur nach Aufforderung durch den Menschen betreten. Alternativ kann man auch ein Kindergitter zur Abtrennung einführen. Der Hund hat kein Spielzeug zur freien Verfügung, herumliegendes Spielzeug ist tabu. Der Hund wird häufiger ignoriert. Er steht nicht mehr ständig im Mittelpunkt der Familie.

SF: Was braucht es generell für das friedliche Zusammenleben von Kind und Hund?

Damit es mit Kind und Hund zusammen entspannt bleibt, müssen Kinder einige Regeln im Umgang mit dem Hund lernen. Dazu gehören insbesondere das Beachten der Individualdistanz sowie der respektvolle Umgang mit dem Hund. Ein Kleinkind versteht diese Regeln anfangs natürlich noch nicht, sodass in diesem Fall die Eltern in der Pflicht sind, ihr Kind zu beobachten und notfalls einzugreifen, um Kind und Hund zu trennen.

Regeln müssen immer individuell aufgestellt werden. Ist für den einen Hund ein Streicheln von oben schon zu viel, liebt der andere Hund es, wenn sich das Kind richtig an ihn ankuschelt. Die Eltern müssen den Hund daher im Umgang mit dem Kind genau beobachten, um zu erkennen, welche Individualdistanz der Hund braucht. Nicht nur das Kind muss lernen, wie es sich gegenüber dem Hund verhält, auch der Hund braucht Regeln im Umgang mit dem Kind.

Dabei muss man beachten, dass Regeln, wenn sie einmal aufgestellt wurden, konsequent eingehalten werden, da der Hund sonst nicht erkennen kann, welche Regeln nun gelten und welche flexibel ausgelegt werden. Obschon die Haltung eines Hundes für Kinder viele Vorteile bietet, darf nicht vergessen werden, dass dadurch auch Gefahren entstehen können. Selbst wenn Eltern alle Regeln beachten, kann es schnell im Alltag zu einer Situation kommen, in der ein bedrängter Hund ein Kind korrigiert. Grundsätzlich muss man daher leider sagen: Es bleibt immer ein Restrisiko! Die wichtigste Regel im Umgang von Kind und Hund für Eltern ist daher wohl: Hund und Kleinkind dürfen NIE allein gelassen werden.

SF: Der Hund gehört heute zur Familie. Wie erklären Sie sich diese Nähe von Hund und Mensch?

Wenn wir die verschiedenen Tiere vergleichen, dann passt der Hund tatsächlich am besten von allen zum Menschen. Denn Gefühle beim Hund sind messbar, da sie Hormone ausschütten: Und Hunde, die ihren Halter wiedersehen, empfinden Glück und – ja – so etwas wie Liebe, weil entsprechende Hormone ausgeschüttet werden.

Außerdem hat der Hund eine Eigenschaft, die sonst kein Tier hat: Der Hund ist in der Lage, einen Artfremden als gleichwertigen Sozialpartner zu sehen. Der Hund weiß, dass wir kein Hund sind. Aber wir können für den Hund so wichtig werden wie ein anderer Hund. So etwas kann keine Katze, kein Pferd und kein Wellensittich. Selbst ein Affe kann das nicht. Ich glaube, das macht diese spezielle Nähe zwischen Mensch und Hund aus.

Von Petra Suchanek

 

 


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